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11.08.2025

Postkarten im Heimatkundlichen Dokumentationszentrum des Landkreises Lindau - Fenster in die Welt und in die Geschichte

Lindau (Bodensee) – Bei den Stichworten „Post- und Ansichtskarten“ denken viele auch heute noch automatisch an Urlaub. Im Heimatkundlichen Dokumentationszentrum des Landkreises Lindau in Weiler im Allgäu werden rund 750 solcher historischen Schätze aufbewahrt. Darüber freut sich Marina Boll, Leiterin Scheidegg-Tourismus. Sie sagt: „Die Karten erzählen vom Urlaub – und ermöglichen gleichzeitig eine spannende Reise durch die Zeit.“

Manche haben einen breiten weißen Rahmen, andere einen schmalen. Bei wieder anderen ist der Rand gezackt. Alle zeigen sie Zeichnungen und Bilder von Landschaften oder Orten – die einen bei Tag, nur wenige bei Nacht. Viele sind schwarz-weiß, einige auch farbig: Die Rede ist von den rund 750 Ansichtskarten, die im Heimatkundlichen Dokumentationszentrum aufbewahrt werden. Sie zeigen Motive aus dem ganzen Landkreis – angefangen von Hergatz über Lindau bis Weiler. Auf manchen sind Menschen abgebildet, was auf die ungefähre Entstehungszeit schließen lässt. Auf denjenigen, die Orte am Bodensee zeigen, kann man gelegentlich auch Schiffe oder beispielsweise den Zeppelin entdecken – stolz werden die neuen technischen Errungenschaften präsentiert. Dazu gehören auch Bahndämme und beispielsweise Telefon- und Telegrafenmasten. Allesamt ermöglichen Postkarten eine spannende Reise durch die Zeit – sie haben eine lange Geschichte.

Laut Definition ist auf einer Postkarte, veraltet auch Korrespondenzkarte genannt, nicht zwangsläufig ein Bild zu sehen. Auf einer Ansichtskarte dagegen schon: Sie zeigt auf der Vorderseite das Bild eines Ortes oder einer Landschaft. Zunächst stand auf einer Ansichtskarte der handgeschriebene Text des Verfassers neben dem Bild – für die Rückseite war ausschließlich die Adresse vorgesehen. Das änderte sich 1905: Fortan standen Adresse und Text auf einer Seite. Sowohl die Post- als auch die Ansichtskarte galt als schnellere und kostengünstigere Alternative zum Brief – bis ihr Porto zum 1. Januar 2025 an das eines Briefes angepasst wurde, was für eine Welle der Empörung sorgte.

1865 führte Preußen die erste offene Sendung ein – die Vorstufe zur eigentlichen Postkarte. Darauf standen die Empfänger- und Absenderadresse – mit handschriftlich vermerktem Datum und Unterschrift des Absenders. Der restliche Text musste gedruckt sein. Vier Pfennig kostete die damals „offene Sendung“. Kritiker hatten zuvor ihre Sorge um die Wahrung des Briefgeheimnisses sowie der guten Sitten geäußert. Sinkende Einnahmen wurden befürchtet, zudem die „unanständige Form der Mitteilung auf offenem Postblatt“ gebrandmarkt. Offiziell als Postmittel zugelassen waren Bildpostkarten ab 1885. Nach Angaben des Museums für Kommunikation Berlin wurde die erste Postkarte der Welt aber bereits am 1. Oktober 1869 von Perg bei Linz nach Kirchdorf verschickt und diente der Abstimmung eines Besuchs im Bekanntenkreis.

Doch wer hat die illustrierte Postkarte erfunden? Das sei bis heute umstritten, schreibt Katharina Krause in einem Aufsatz für die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. „Vermutlich fand sie erste Vorbilder in den weit verbreiteten Bilderbögen und privat gedruckten Postkar­ten, die in Frankreich bereits im 18. Jahrhundert und in den Vereinigten Staaten von Amerika Anfang der 1860er-Jahre aufkamen.“

Im Gegensatz zu heute sind Bilder auf den ersten Postkarten noch nicht so wichtig – sie wurden verschickt, weil sie hinsichtlich des Portos billiger als Briefe waren und zudem schneller transportiert wurden. „Waren zuerst noch Bilder von Firmen und Sehenswür­digkeiten vertreten, entwickelte sich ab 1875 die Ansichtskarte, die verschiedene Szenen, Gebäude oder Personen zeigte“, schreibt Katharina Krause. „Um die Jahrhundertwende konnten neben Ansichtskarten mit Stadtansichten, Scherzpostkarten, Urlaubskarten, Karten mit Szenen aus dem Volksleben und Straßenszenen, Karikaturen, Gruß- und Glückwunschkarten sowie Erotica auch Karten mit aktuellen Bezügen wie Naturkatastrophen, Treffen von Politikern und Bildnissen der Fürsten und Kaiserfamilien erworben werden.“ Die Sammelleidenschaft der Menschen wurde durch Serien von Posthäusern aus der ganzen Welt, Trachten oder Wirtshäuser angeheizt.

Katharina Krause zufolge reichte das „Goldene Zeitalter“ der Postkarten von 1885 bis zum Ende des Ersten Weltkrieges 1918. Milliarden von Postkarten seien in diesem Zeitraum jährlich verschickt worden. „Dazu trug bei, dass die Post in größeren Städten wie etwa Berlin bis zu fünf Mal am Tag gebracht wurde und kurze Nachrichten den Empfänger noch am selben Tag erreichten.“

Nach dem Ersten Weltkrieg trat das Telefon seinen Siegeszug an, drängte die Postkarte zurück. Diese Entwicklung verstärkte sich durch die Einführung von Handys, SMS, E-Mails, Messengerdiensten und Sozialen Medien. Doch verschwunden ist die Postkarte bis heute nicht.

2019 hatte die deutsche Postkarte ihr 150. Jubiläumsjahr. Fünf Jahre zuvor wurde vermeldet, dass insgesamt 210 Millionen Karten versendet wurden, davon allein 57 Millionen in den als Urlaubssaison bekannten Monaten Juni bis einschließlich August.

Und heute? Einer Forsa-Umfrage, die die Deutsche Post in Auftrag gegeben hatte, lieben die Deutschen die klassische Postkarte. 65 Prozent freuen sich über Postkarten als Urlaubsgruß, 69 Prozent sagen, die Postkarte sei persönlicher als digitale Grüße. Mit 61 Prozent folgen auf Platz 2 Grüße per WhatsApp oder über andere Messenger-Dienste.

An vielen Orten kann man immer noch Postkarten kaufen. Marina Boll, Leiterin Scheidegg-Tourismus, sagt: „Bei uns sind sie nach wie sehr gerne gekauft und verschickt.“

Ein Postkarten-Verlag aus dem Allgäu will eigenen Angabe zufolge „positive Vibes in die Welt hinaus senden“: „So eine Postkarte ist immer auch ein Stückchen Wertschätzung: Wir nehmen uns Zeit, die Postkarte auszuwählen, sie klassisch per Hand zu beschreiben und an liebe Menschen zu verschicken. Freuen, lachen, schmunzeln und nachdenken, motivieren, aufbauen, das sollen unsere Postkarten bewirken.“

Trotz Social Media, sagt Julian Eckert vom Ansichtskartenversand Bartko & Reher sei kein Rückgang zu verzeichnen, was die Nachfrage nach Ansichtskarten anbelange. Die Verkaufspreise in diesem Portal orientierten sich nach dem Motiv, der Häufigkeit der Nachfrage und nach den Unternehmenserfahrungen. Und: Karten, die gelaufen sind, seien begehrter als ungelaufene. Preislich ein Ausreißer ist beispielsweise ein Foto von Lindau, Teilansicht vom See gesehen, Hafeneinfahrt und Rathaus. Die Karte ist 1895 gelaufen und kostet 28 Euro. Auch die Motive von Eugen Felle (1869 - 1934), Postkartenmaler aus Isny, sind sehr begehrt.

Dass Ansichtskarten noch heute Fenster zur Welt und manchmal auch in die Geschichte öffnen, dürfte unstrittig sein. Für einen Wettbewerb hatte das Ansichtskarten-Portal Bartko & Reher im Internet User dazu aufgerufen, ihr erstes Sammlerstück vorzustellen. Ein Sammler vom Bodensee hatte geschrieben: „Als alter Bodenseeler hat mich schon immer fasziniert, dass es hier im Obersee keine Grenzen gibt. Und dass man auch flexibel mit der Post umging. So konnte man Ende des 19. Jahrhunderts Briefmarken aus allen Anrainerstaaten zum Gesamtporto zusammenkleben. Das ging aber nur auf Schiffen, so dass die Ansichtskarte mit einem Bodenseeschiff zu den Highlights meiner Sammlung gehört. Natürlich auch mein erstes Stück!“

Info: Von Nachlässen bis hin zu mehr als 5000 heimatkundlichen und geschichtlichen Büchern und Zeitschriften: Das Heimatkundliche Dokumentationszentrum des Landkreises Lindau in Weiler im Allgäu bewahrt Schätze der historischen und heimatkundlichen Forschung. Dazu gehören auch Kreis- und ortsgeschichtliche Sammlungen, Festschriften, Fotos, Ansichtskarten, historische und topografische Karten und Pläne, Zeitungsbände des Westallgäuers und Vorläufers ab 1854, Amts- und Regierungsblätter (ab 1803) sowie Gesetz- und Verordnungsblätter (ab 1818), Nachlässe verschiedener Heimatforscher und eine Kunstsicherungskartei mit fotografischen Bestandsaufnahmen und Beschreibung von Kircheninventaren.

Wer Interesse an Heimatgeschichte hat oder Möglichkeiten zum Recherchieren sucht, ist dort willkommen und kann per E-Mail (hdz@landkreis-lindau.de) einen Termin vereinbaren oder den neuen, kostenlosen Newsletter abonnieren. Damit informiert das Heimatkundliche Dokumentationszentrum künftig über Interessantes und Neuerwerbungen.