Das Heimatkundliche Dokumentationszentrum des Landkreises Lindau bietet spannende Geschichten rund um den Bodensee
Lindau (Bodensee) – Im Heimatkundlichen Dokumentationszentrum in Weiler werden unter anderem die „Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung“ verwahrt und sind dort für alle Interessierten zugänglich. Die ältesten Schriften stammen aus dem Jahr 1869. Die jüngsten aus dem Jahr 2024.
„Das Land war voll von solchen unheimlichen Gestalten. Bald warens kleine Gruppen, zwei, die rauben und morden, und einer, der auflauern und zutreiben muß, alle unter dem Gewand des Bettlers oder Kramers, der seinen Packen auf dem Rücken trägt mit allerhand Handelskram, auch die Keßler, Kesselflicker waren oft eine Einkleidung für Räuber“, beschreibt Kirchenrat i.R. Dr. Wolfart aus Lindau das Räuberwesen am Bodensee im 16. Jahrhundert. In seinem Beitrag im Jahrbuch von 1938 kann man weiterhin lesen: „Das Leben galt ihnen wenig, an Grausamkeit waren sie gewöhnt (…).“ Äußerst grausam gehen die Räuber vor, schrecken nicht einmal davor zurück, ein Haus anzuzünden, in dem fünf Kinder verbrennen. Die Stadt Wangen warnt am 15. Juni 1546 die Lindauer „aus guter Nachbarschaft, da ihr auch darin begriffen seid“, vor Landsknechten aus dem Schweizerland. Ein unbekanntes Städtlein bei Augsburg sollen sie verbrannt haben. Jetzt warten sie auf den Gefangenen, der das Geständnis ablegt, zu Ochsenhausen und „sind Vorhabens, Lindau, Ravensburg, Weingarten, Ochsenhausen und Biberach zu verbrennen“.
Die selbst gestellte Aufgabe des „Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung“, die Geschichte eben dieses Raumes aufzuzeichnen und zu dokumentieren, reicht weit zurück. Am Montag, 19. Oktober 1868, hatten zwei Frauen und etwa 70 Männer in Friedrichshafen den Verein gegründet. Bis heute unterscheidet er sich von anderen landesgeschichtlichen Vereinen: Er ist der einzige staatenübergreifende Geschichtsverein Deutschlands, Österreichs und der Schweiz inklusive Liechtenstein. Bisher hat er 134 Bände herausgegeben – mit den Ergebnissen der jeweils neuen wissenschaftlichen Untersuchungen des Bodensees und seiner Umgebung. Themen sind beispielsweise das Klima, Flora und Fauna, Geschichten der Länder, Städte und Dörfer, Wirtschaft, Kultur und Kunst.
Im Jahrbuch von 1970 beispielsweise findet sich ein ausführlicher Beitrag von Eva Irblich mit dem Titel: „Die Vitae sanctae Wiboradae. Ein Heiligen-Leben des 10. Jahrhunderts“. Wiborada war eine Einsiedlerin, die während eines Ungarneinfalls am 1. Mai 926 in St. Gallen getötet wurde.
Die Schutzpatronin der Bibliotheken, Bücherfreunde, Pfarrhaushälterinnen und Köchinnen wurde 1047 als erste Frau von einem Papst heiliggesprochen. Gleich zwei Beschreibungen ihres Lebens gibt es, die zudem Informationen zur Kultur- und Alltagsgeschichte ihrer Zeit enthalten. Auf all dies geht die Autorin ausführlich ein. Einige Wunder werden Wiborada, die aus einer adligen alemannischen Familie stammte, zugeschrieben. 1509 starb mit Barbara Hornbogin die letzte Einsiedlerin, die der Heiligen nacheiferte.
Die Zeitschriften enthalten auch wichtige Metastudien, also Auswertungen von einzelnen Forschungen: Wolfgang Zimmermann dokumentiert in der Beilage III des Jahrbuchs von 1988 in einer Liste „Hexenverfolgungen im Bodenseegebiet“. Er fertigt eine Übersicht über alle in der Sekundärliteratur belegten Hexenprozesse des Bodenseegebiets im 16. und 17. Jahrhundert an und führt 225 Prozesse auf, einer davon mit 42 Verdächtigen. Über 190 Menschen wird das Todesurteil gefällt, 35 werden freigesprochen, zwei ausgewiesen. Von neun Prozessen ist der Ausgang unbekannt. Allerdings stellt der Autor fest: „Es gab keine umfangreichen Massenverfolgungen. Wenn die Prozesse über Einzelprozesse hinausgingen, wurden kaum mehr als fünf Personen in einen Prozeß verwickelt.“ Die Prozesse in Vorarlberg und in Wasserburg bildeten hierbei aber eine Ausnahme.
Die jüngste Seegfrörne, die mittlerweile gut 60 Jahre zurückliegt, ist im Jahrbuch 1963 Thema. Besondere Bedeutung hat für den Autor Friedrich Meichle die Seeprozession am 22. Februar, bei der die Schweizer über den zugefrorenen See kamen und die Büste des Johannes gemäß jahrhundertealter Tradition von Hagnau nach Münsterlingen bringen. Meichle zitiert den Schweizer Bezirksstatthalter Raggenbass, der im Namen der Grenzbevölkerung einen Willkommensgruß spricht und erklärt: „Der heutige Tag hat gezeigt, dass unsere Generation hier am Bodensee mit Begeisterung bereit ist, die gute und sinnvolle Tradition unserer Ahnen hochzuhalten und das Wort ihrer Väter einzulösen. Er hat aber auch zu verstehen gegeben, dass die nachbarlichen Beziehungen und Verhältnisse, die seit Jahrhunderten zwischen den Bewohnern beider Ufer bestehen, durch keine Kriege und durch keine Revolution zerstört werden können.“
Bildunterschrift: Fridolin Altweck, Ortsheimatpfleger von Wasserburg und früher Vorsitzender des Kreisheimattags, hält viel auf die Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung (Heimatkundliches Dokumentationszentrum / Hildegard Nagler).
Info: Von Nachlässen bis hin zu mehr als 5000 heimatkundlichen und geschichtlichen Büchern und Zeitschriften: Das Heimatkundliche Dokumentationszentrum des Landkreises Lindau in Weiler im Allgäu bewahrt Schätze der historischen und heimatkundlichen Forschung. Dazu gehören auch Kreis- und ortsgeschichtliche Sammlungen, Festschriften, Fotos, Ansichtskarten, historische und topografische Karten und Pläne, Zeitungsbände des Westallgäuers und Vorläufers ab 1854, Amts- und Regierungsblätter (ab 1803) sowie Gesetz- und Verordnungsblätter (ab 1818), Nachlässe verschiedener Heimatforscher und eine Kunstsicherungskartei mit fotografischen Bestandsaufnahmen und Beschreibung von Kircheninventaren.
Wer Interesse an Heimatgeschichte zum Anfassen hat oder Möglichkeiten zum Recherchieren sucht, ist dort willkommen und kann per E-Mail (hdz@landkreis-lindau.de) einen Termin vereinbaren oder den kostenlosen Newsletter abonnieren. Damit informiert das Heimatkundliche Dokumentationszentrum künftig über Interessantes und Neuerwerbungen.